Stadtgeschichte: Die neue Kanzel in der Pfarrkirche St. Georg
Bocholter Stadtarchiv präsentiert das historische "Foto des Monats"
Das Bocholter Stadtarchiv erinnert in seiner monatlichen Themenreihe diesmal an die in den Nachkriegsjahren errichtete neue Kanzel in der St. Georg-Kirche.
Beim alliierten Luftangriff auf Bocholt am 22. März 1945 sank die Stadt in Schutt und Asche. 85 % des Ortsgebietes galten als zerstört. Vor allem im innerstädtischen Bereich richtete der Bombenhagel enorme Verwüstungen an.
Die mittelalterliche Pfarrkirche St. Georg verlor ihren Turmhelm und das Dach, die Gewölbe sowie die hintere Nordwand stürzten ein, und die kunstvolle Innenausstattung wurde ein Raub der Flammen. Weihnachten 1950 konnte die Gemeinde ihre Kirche wieder in Benutzung nehmen, als der erste Bauabschnitt der Wiedererrichtung beendet war.
Bildhauer Schlatt beauftragt
Zu Beginn des Jahres 1951 verhandelte Pfarrer Hermann Aertker mit der Stadtverwaltung über die Bereitstellung eines neuen Predigtstuhles, den die Stadt zu schenken beabsichtigte. Er beauftragte zudem den Bildhauer Hermann Schlatt mit der Anfertigung eines Entwurfes, den der Künstler bei einer Aussprache mit den Stadtverordneten am 11. Dezember des gleichen Jahres vorstellte. Die Ratsmitglieder gaben ihre Zustimmung zu dem Modell wie auch der Provinzialkonservator und die Kirchengemeinde selbst. Demnach wurde die neue Kanzel aus Eiche gearbeitet und am zweiten südlichen Pfeiler in der Kirche angebracht, wo sich einst auch der frühere Predigtstuhl befunden hatte.
Die Gesamthöhe betrug 3,10 m und der Durchmesser 0,90 m. Vom Boden bis zur Kanzelbasis betrug der Abstand 1,90 m, sodass dadurch ein guter Durchblick auf den Hochaltar gewährleistet war. Ein Eisenträger, den eine Eichenverkleidung umhüllte, trug die gesamte Konstruktion.
Fünf bildhauerische Figuren zierten die Kanzel in Form eines Reliefs, und zwar St. Bonifatius als erster Apostel Deutschlands, St. Ludger als erster Bischof von Münster, die beiden Gebrüder Ewaldi als Glaubensboten des Münsterlandes sowie Petrus Canisius als Gewährleister des katholischen Glaubens in der hiesigen Umgebung. Unterhalb des Reliefs sah der Entwurf fünf Kassetten mit den Symbolen der vier Evangelisten und als fünftes Sinnbild das Wappen der Stadt Bocholt vor. Bei der späteren Anbringung des Baldachins über dem Predigtstuhl wurden akustische Erwägungen berücksichtigt.
"Wort Gottes für gesamte Stadt bedeutsam"
Durch die Stiftung brachte die Stadt die innige Verbundenheit zwischen ihr und der St.-Georg-Kirche zum Ausdruck. "Damit gab der Rat zu erkennen", - so eine Pressemitteilung - "daß auch im 20. Jahrhundert das Wort Gottes nicht nur für den Kirchenraum, sondern für die ganze Stadt bedeutungsvoll ist."
Im Gottesdienst zum 100. Todestag des Kardinals Melchior von Diepenbrock hielt der münsterische Bischof Dr. Michael Keller seine Predigt am 18. Januar 1953 auf der neuen Kanzel.