Foto des Monats - Oktober 2023
Die "neue" Stadtsparkasse an der Kirchstraße
Im April letzten Jahres gab der Vorstand der Bocholter Stadtsparkasse bekannt, dass das leerstehende Haus seines ehemaligen Firmensitzes am Markt demnächst zur Disposition steht und an seiner Stelle moderne Geschäftsbauten errichtet werden könnten. 67 Jahre lang hatte sich der Hauptsitz des Geldinstituts an dieser Adresse befunden, ehe man ihn im April 2021 zum Neutorplatz in das dort neu erbaute Domizil verlegte.
Das ursprüngliche, 1901 am heutigen Benölkenplatz in Benutzung genommene Gebäude der Sparkasse war durch den Bombenangriff auf Bocholt am 22. März 1945 völlig zerstört worden. Eine Instandsetzung folgte zwar in den Jahren danach, allerdings erforderte die Entwicklung der Sparkasse nach dem Krieg eine Erweiterung bzw. einen Neubau.
Nach eingehenden Verhandlungen mit den Erben des Justizrates Koop (gest. 1919) gelang es der Sparkasse am 8. August 1950, zu diesem Zweck deren Besitzung an der Kirchstraße und im Jahr darauf ein anliegendes städtisches Grundstück zu erwerben. Gleichzeitig wurde die Ausschreibung eines Wettbewerbs beschlossen, den der Schwerter Architekt Carl H. J. Schmitz unter 21 eingereichten Vorschlägen für sich entschied. Er und sein Bocholter Kollege Ludwig Beier fertigten den endgültigen Entwurf des Hauses mit rund 9.700 Kubikmeter umbautem Raum. Anschließend übernahmen sie gemeinsam die Bauleitung.
Rücksicht auf Kirche und Rathaus
Die Pläne zeichneten sich durch eine besonders günstige städtebauliche Gestaltung aus. Der Grundriss und der konstruktive Aufbau in zwei Geschossen mit hohem Dach wurden als klar und übersichtlich bewertet. Nach den Vorgaben musste auf die bauliche Umgebung, insbesondere auf die gegenüberliegende St.-Georg-Kirche und das Rathaus am Markt Rücksicht genommen werden.
Schließlich handelte es sich hierbei um historischen Grund und Boden, wenn man bedenkt, dass an dieser Stelle mutmaßlich das bis 1618 genutzte Bocholter Rathaus stand! Die Bauarbeiten begannen am 15. Juli 1953, in der Woche nach Kirmes feierte man das Richtfest. Bei der Einweihung der neuen Stadtsparkasse am 25. Oktober 1954 verlas Direktor Josef Rommelsheim in Anwesenheit zahlreicher Gäste den Wortlaut einer neben dem Hauptportal eingemauerten Urkunde und betonte, dass die Sparkasse dem Gedanken seit ihrer Gründung 1841 treu geblieben sei, jedem einzelnen Sparer und der heimischen Wirtschaft zu dienen.
Zu den geladenen Besuchern bei der Eröffnungsfeier zählte auch der Bocholter Bildhauer Hermann Schlatt. Er schuf im Auftrag der Stadtsparkasse eine Figur in der klassischen Art einer Fruchtbarkeitsgöttin, die man an der Westseite des neuen Geldinstituts anbrachte, wo sie heute noch zu sehen ist. Im linken Arm trägt diese Frauengestalt ein Bündel Ähren als reife Frucht des Sommers und verstreut mit der rechten Hand die Saat. Unter dem Motto "Säe und ernte" verkörpert diese Skulptur demnach den Geist des Wirtschaftswunders der fünfziger Jahre in der damaligen Versinnbildlichung des Sparens und Erntens.