Bocholt-Besuch wird für Italiener zur Reise in die Familiengeschichte
Sohn eines einstigen Kriegsgefangenen besucht ehemaliges Stadtwaldlager // Emotionale Besichtigung der Gedenkstätte
Der Italiener Lauro Venturi besuchte jetzt Bocholt. Für ihn war es zugleich eine Reise in die Vergangenheit seiner Familiengeschichte.
Bei einer Führung erfuhr Venturi mehr über die wechselvolle Geschichte des ehemaligen Bocholter Stadtwaldlagers. Sein Vater Lino (*1914 '1986) war dort während des Zweiten Weltkriegs als Kriegsgefangener inhaftiert gewesen.
Lauro Venturi machte bei einer 10.000 km langen Motorradtour quer durch Europa Station in Bocholt. Zuvor nahm er Kontakt zur Stadtverwaltung auf, die den Gast aus Bologna und seinen Begleiter Giuseppe Ferrari zu einer Führung durch das ehemalige Lagergelände und heutige Naherholungsgebiet einlud. Sogar die italienische Tageszeitung Gazzetta di Modena berichtete im Vorfeld darüber.
"Dies ist eine sehr seltene Gelegenheit, mit Angehörigen von einst in Bocholt inhaftierten Kriegsgefangenen in direkten Kontakt zu treten. Der Austausch mit Lauro Venturi war bereits vor seinem Besuch schon sehr interessant und berührend zugleich", berichtet Bocholts Kulturmanager Oliver Brenn.
Führung im Stadtwald durch Museumsleiterin Lisa Resing
Die Leiterin des Bocholter Stadtmuseums, Lisa Resing, schilderte Venturi die wechselvolle Geschichte des Lagers und ging insbesondere auf die Situation der Kriegsgefangenen ein. Die Führung endete an der Gedenkstätte. Hier nutzte der italienische Gast die Gelegenheit, um eine im Vorfeld von ihm zusammengestellte Broschüre über die Zeit seines Vaters in Bocholt am Gedenkstein abzulegen und seinem Vater zu gedenken.
"Als mein Vater in meiner Jugend über die Zeit des Zweiten Weltkrieges und seine Inhaftierung sprach, hatte ich wenig Interesse für diese Themen. Dies hat sich in den vergangenen Jahren geändert, und mir war es während meiner Motorradtour ein wichtiges Anliegen, an den Ort zu fahren, an dem mein Vater für eineinhalb Jahre unter schwierigsten Bedingungen inhaftiert gewesen ist - und großes Leid erfahren musste", so Venturi.
Bevor er zu seinem nächsten Zwischenstopp in den Niederlanden aufbrach, bedankte er sich bei der Stadtverwaltung Bocholt für die Betreuung vor und während seines Besuchs. Sein Dank galt auch Francesco Varone, der sich als Mitglied des Italienischen Kulturvereins kurzfristig bereit erklärt hatte, die Führung als Übersetzer zu begleiten.
Kontakt soll gepflegt werden
Venturi, Kulturmanager Brenn und Museumsleiterin Resing wollen weiter in Kontakt bleiben und Informationen zum Schicksal seines Vaters und der Situation der in Bocholt inhaftierten Kriegsgefangenen austauschen. Venturi will u.a. Schriftstücke seines Vaters über seine Zeit im Bocholter STALAG VI F zur Verfügung stellen. "Mit dem Blick auf die Erforschung der Stadtgeschichte sind solche Quellen unglaublich wertvoll", sagt Resing.