Staatssekretär aus Brasilien informiert sich über duales Ausbildungssystem
Treffen im Haus des Handwerks // Bruno Kazuhiro besichtigt Bocholter Unternehmen
Aus dem brasilianischen Bundesstaat Rio de Janeiro war jetzt der ehemalige Staatssekretär für die Tourismusbranche Bruno Kazuhiro zu Gast, um sich über das duale Ausbildungssystem in Deutschland und dem Münsterland zu informieren. Der 33-jährige Politiker und Rechtswissenschaftler will in seinem Heimatland für das deutsche Erfolgsmodell werben.
Die Berufsausbildung in einem Betrieb beginnen und in einem anderen beenden? In der Bundesrepublik längst Normalität. Doch was hierzulande durch Rahmenlehrpläne und Ausbildungsordnungen im dualen Ausbildungssystem inzwischen Standard ist, ist andernorts nicht selten Zukunftsmusik.
Bei einem Ortstermin im Haus des Handwerks sprachen Bürgermeister Thomas Kerkhoff, Christoph Bruns von der Kreishandwerkerschaft Borken, Hans Hund von der Handwerkskammer Münster sowie Horst te Wilde und Jacqueline Müller-Röhr vom Berufskolleg Bocholt-West mit dem Brasilianischen Politiker Bruno Kazuhiro über die Vorteile des dualen Ausbildungssystems in Deutschland.
"Das duale System hat in Deutschland eine lange Tradition", erklärte zu Beginn der Bocholter Unternehmer Hans Hund, Präsident der Handwerkskammer Münster. Den größten Anteil am Erfolg des Modells habe dabei die gute und enge Zusammenarbeit zwischen den Betrieben und den Handwerkskammern, so Hund. Den Hauptteil der Ausbildung trage in Deutschland das Unternehmen.
Kazuhiro wies darauf hin, dass Unternehmerinnen und Unternehmer in Brasilien häufig nur wenig bereit seien, Kosten für die Ausbildung zu übernehmen, wenn nicht sicher sei, dass ein Auszubildender oder eine Auszubildende nach seiner oder ihrer Lehre auch im Betrieb weiterarbeite. Auch werden schulische Ausbildungen längst nicht überall anerkannt: Wer von einer öffentlichen Berufsschule komme, habe bei der Bewerbung im Betrieb häufig das Nachsehen, den Zugang zu teuren Privatschulen könne sich hingegen nicht jeder leisten.
"Da muss ein Umdenken stattfinden, wenn sich das Modell langfristig ändern soll", schätzt Christoph Bruns, Hauptgeschäftsführer der Kreishandwerkerschaft Borken. Die Investition in Ausbildung sei gut angelegtes Geld und zahle sich für die Unternehmen aus.
Kazuhiro ist derzeit im Münsterland und den Niederlanden unterwegs. Seinen Besuch in Bocholt nutzte er neben dem Gespräch im Haus des Handwerks auch für einen Besuch des Bocholter Unternehmens H.Klingeberg. Dort konnte sich der Gast aus Brasilien einen Eindruck von der praktischen Umsetzung des dualen Systems der Berufsausbildung verschaffen.
In einem intensiven Gespräch mit einem Auszubildenden und der Geschäftsleitung sowie der Schulleitung des Berufskollegs West zeigte er sich beeindruckt vom Engagement der Beteiligten. Einen derart engen Kontakt zwischen Betrieben, Berufskollegs und die praxisnahe Ausbildung im betrieblichen Alltag gebe es in Brasilien so nicht, so Bruno Kazuhiro.
Das Münsterland als Ausbildungsstandort
Im gesamten Münsterland gibt es laut Handwerkskammer Münster 19.797 Handwerksbetriebe (Stand März 2022). Diese bilden aktuell mehr als 9100 Lehrlinge aus. Auf den Kreis Borken entfallen davon knapp 2800 Auszubildende.